Unsere Idee, statt mit dem Auto oder Flugzeug mit dem Zug durch die USA zu reisen, löste bei vielen Erstaunen aus. Aber als grosse Zug-Fans waren wir sehr angetan von diesem Plan und fingen bereits einige Monate vor unserer Weltreise mit der Recherche an. Schnell wurden wir fündig: Der Amtrak bedient ein relativ grosses Streckennetz in den USA. Unser Start-Bahnhof Chicago war mit einigen Städten verbunden und mit ein bisschen Knobeln fanden wir rasch eine geeignete Strecke. Dazu muss gesagt sein: Ganz anders als in Europa werden in den USA die Strecken nicht mehrmals täglich, sondern oft nur einige Male pro Woche befahren. Und die Distanzen in den USA sind enorm – man verbringt also sehr sehr viel Zeit im Zug.
Unkompliziert buchten wir die Tickets vorab online, die Preise für die Holzklasse waren im Rahmen, Liegeabteile wären uns viel zu teuer gewesen. Dass aber die Holzklasse auch nicht von schlechten Eltern ist, stellten wir dann später erfreut fest.
Am Tag unserer ersten Zugreise fanden wir uns pünktlich zum Check-In in der Union Station in Chicago ein. Wie beim Fliegen wird hier auch beim Zugfahren das Gepäck aufgegeben und man reist mit Handgepäck. Für uns hiess das: Alles Notwendige mit in den Daypack stopfen, Zahnbürste, Brillenetui, Decke, warmer Pullover etc, denn unsere Rucksäcke sollten wir erst 20 Stunden später in New Orleans wieder in Empfang nehmen dürfen.
Um 20 Uhr ging es los, die Lichter von Chicago beleuchteten den Nachthimmel und wir machten es uns in unserem Abteil gemütlich. Zwar reisten wir wie gesagt in der Holzklasse, sprich kein Liegewagen, sondern ganz normale Sessel, aber in den USA gilt eben auch im Zug: Bigger is better. Und so verfügen die bequemen Amtrak-Sessel über enorm viel Beinfreiheit, sind sehr breit und lassen sich praktisch ganz in die Horizontale herunterklappen. Begleitet wurde der Zug von mehreren Zugbegleitern, die uns mit Kissen und Decken belieferten und dafür sorgten, dass bei Pausen alle Passagiere rechtzeitig wieder im Wagen waren.
Wir schliefen tatsächlich wie die Babies und kriegten von der Nachtfahrt nicht viel mit. Dann dauerte es nur noch einige Stunden und wir kamen in New Orleans an. Die Fahrt über den Lake Pontchartrain war super eindrücklich.
Drei Tage Amtrak-Pause gönnten wir uns in New Orleans und bestiegen dann erneut den doppelstöckigen Zug. Dieses Mal starteten wir am Morgen, ganze 36 Stunden Zugfahrt warteten auf uns. Anders als der Zug von Chicago, der einige Pendler transportierte, schien dieser Zug eher ein Touri-Transport-Mittel zu sein. Allerdings handelte es sich praktisch ausschliesslich um amerikanische Touristen und wir zwei Schweizer waren ein echtes Highlight für die Mitfahrenden.
Der Amtrak teilt sich in zwei Hälften auf: zwei Wagen Holzklasse und zwei Wagen mit Liegeabteilen. Dazwischen befindet sich der Lounge-, Ess- und Begegnungswagen. Im Begegnungswagen, ein Panorama-Wagen mit riesigen Fenster, lässt sich wunderbar die karge Landschaft beobachten und es findet sich hier auch immer jemand, der ein Schwätzchen halten will. Die Amis sind sehr neugierig und es verging kaum eine Stunde, in der wir nicht mit irgendjemandem über Gott und die Welt quatschten. Schon nach wenigen Stunden kannten wir die Lebensgeschichten unserer Mitreisenden. Am Abend assen wir im Speisewagen, aus Platzgründen werden auch hier die Reisenden bunt durcheinander gewürfelt und man isst mit Wildfremden zu Abend.
Die Nacht war dieses Mal unruhiger, in El Paso wurde ein von Norden kommender Zug an unsere Wagen angehängt und der Zug hielt ausgerechnet neben einer Bar in El Paso, in der offenbar eine riesen Party stattfand. Den nächsten Tag verbrachten wir mit den üblichen Amtrak-Aktivitäten: Aus dem Fenster gucken, Monopoly spielen, mit den Mitreisenden quatschen. Doch für den Nachmittag war eine grosse Sache angekündigt: Die Lady aus dem Lounge-Wagen lud zum gemeinsamen Trivia-Spielen im Begegnungswagen. Es kamen ca. 20 Personen zusammen, die alle mit vollem Elan dabei waren, diverse Rätsel und Aufgaben zu lösen. Wir hatten bei den meisten Fragen null Ahnung, gaben aber unser Bestes, als es darum ging, Lieder zu singen und zu erkennen. Den Moment, als wir mitten in der Wüste Arizonas mit einer bunt zusammen gewürfelten Truppe die Amerikanische Hymne sangen, werden wir nie vergessen.
Bald waren auch diese langen 36 Stunden vorbei und wir kamen in Tucson an. Dort blieben wir zwei Nächte und stiegen dann ein letztes Mal in den Amtrak. Die 8 Stunden nach Los Angeles, gefolgt von weiteren 3 Stunden nach San Diego sassen wir als mittlerweile alte Amtrak-Hasen auf einer Arschbacke ab.
Unsere Sturheit hat sich also gelohnt: Auch im Autoland USA ist eine Zugfahrt ein echt tolles Erlebnis und die Reise mit dem Amtrak wird uns für immer in Erinnerung bleiben.
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